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Überfällt Sie in gewissen Business Meetings auch manchmal die Erinnerung an Momos Graue Herren?

Oder sind Sie ohne Michael Endes phantastische Zeitdiebe aufgewachsen? Corinna Budras, FAZ-Redakteurin und selbst Mutter zweier Kinder, und ihrem Mann Pascal Fischer sind diese und ähnliche Gestalten offenkundig vertraut. Pünktlich zu Beginn der etwas ruhigeren Sommerzeit haben die beiden Journalisten bei C.H.BECK ein Taschenbuch zu der Frage vorgelegt, warum uns die Zeit abhandenkommt und wie wir sie zurückgewinnen. „Wer hat an der Uhr gedreht?“ ist eine ebenso kluge wie kurzweilig verfasste Betrachtung in zwölf Teilen.

Ihre Tour d’Horizon…

reicht von der Erfindung der Zeiteinteilung durch die Babylonier – der später übrigens nicht nur das System der Sonnen-, sondern vor allem auch das der Wasseruhren folgte – bis hin zum Unterschied zwischen Beschäftigung und Produktivität. Zudem wäre Budras nicht Arbeitsrechtlerin, würde sie an dieser Stelle nicht auch Hinweise auf Wochenarbeitszeiten und Leistungsverdichtung einfließen lassen. Wobei, die Älteren unter uns erinnern sich noch aus ihrer Kindheit daran, der Samstag bis in die sechziger Jahre hinein ein normaler Arbeitstag war. Und doch ist das Leben für den Coffee to go eine Erscheinungsform späterer Dekaden (Einschub der Autoren: Statt Pizza Hut sollte es in Frankfurt dann wenigstens Käs‘ Petri sein). Essenfassen als (weiterer) Gradmesser der Gesellschaft?

Auch dass Verzicht eine Kategorie ist,

die wir als Relikt der Nachkriegszeit nicht mehr besonders schätzen, ist nur zu wahr. Im Kontext der plötzlichen Fremdbestimmung durch Kinder, die die Zeit als frischgebackene Eltern ohnehin zu einer merkwürdigen macht, offenbart sich freilich auch, was das Buch bei alldem nicht ist (und sicherlich nicht sein will): Eine stringente wissenschaftliche Abhandlung. Stattdessen gehen Budras/Fischer die unterschiedlichsten zeitlichen Aspekte zwischen Anfang und Ende des Lebens aus immer wieder neuen Blickwinkeln an.

Ein erfrischendes Element sind die eingestreuten Fallbeispiele. Da wird die eigene Zeiterfahrung beim Abseilen vom Dach eines Hochhauses ebenso geschildert wie die später im Roman „Palladium“ verarbeitete Geschichte des Franzosen Boris Razon, der vorübergehend an Guillain-Barré gelitten hatte. (Für alle Nichtadepten von Dr. House: Das GBS ist eine lähmungsinduzierende Nervenentzündung, die in Extremfällen zu einem Locked-in-Syndrom führen kann). Zurück in der Arbeitswelt gibt es einen Leiter Unternehmenskultur der Otto-Gruppe in Hamburg, unter dessen Ägide sich regelmäßige Veranstaltungen wie der Culture Club und ein Poetry Slam etabliert haben, außerdem ein firmeninternes Youtube-Festival. Bei Google, zum Vergleich, geht man nicht einfach in die Pause, sondern zelebriert die „G-Pause“, „Search Inside Yourself“-Programm inklusive.

Wer es bis dato überlesen haben sollte, dem dämmert es spätestens jetzt: Nicht nur Arbeit zu haben, sondern auch das dauernde beschäftigt sein sind echt hip. Und Zeitmangel entsteht nicht zuletzt auch aus der Angst heraus, etwas zu verpassen. Ein wenig versteckt liest man bei Budras/Fischer von einer Studie zur vorgeblichen 60-Stunden-Woche sechsstellig verdienender Mütter (Männer waren nicht Untersuchungsgegenstand). Führten diese Frauen ehrlich Buch, kamen sie im Schnitt auf „magere“ 44 Stunden. Da bleibt doch nur zu hoffen, dass sie den Grauen Herrn ein Schnippchen geschlagen und den Rest der Zeit, nun: einfach verprasst haben.

Rechtsanwältin und Coach (IHK) Dr. Anette Hartung, Frankfurt am Main

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