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„ ‚Da kann ich nichts machen‘, ‚Das ist eben so‘, ‚Mein Beruf erfordert es einfach!‘ Schließen Sie sich nicht denen an, die sich auf solche Weise aus ihrer Selbstverantwortung herausreden“: Es ist ein kluges Essay, das Thomas Hohensee und Renate Georgy vorgelegt haben. Beide sind von Haus aus Anwälte, beider Arbeits- und Lebenserfahrung geht aber weit darüber hinaus – und in einem schmalen Band haben sie sie jetzt im Deutschen Anwalt Verlag zusammengefasst.

Wie man an emotionaler Kompetenz gewinnt und souveräner auftritt, beschreiben sie in insgesamt elf Paragraphen, die von der Frage nach Gerechtigkeit über den praktischen Umgang mit aggressiven Kollegen bis hin zum Zeitmanagement vor keinem Grundsatzthema zurückschrecken.

Da es sich dabei allerdings nicht um ein Lehrbuch handelt, finden sich zwar ein Inhalts- und Literaturverzeichnis, die Verfasser verzichten aber auf weiterführende Nachweise. Auch einen Sachindex gibt es nicht. Schade ist das dann, wenn man als Leser(in) einen Gedanken noch einmal nachlesen möchte, der im Nachhinein eine besondere Rolle gespielt hat. So ist mehrmals von den vier Standard-Fragen nach Byron Katiedie Rede (Ist das wirklich wahr? Können Sie mit absoluter Sicherheit sagen, dass das wahr ist? Wie reagieren Sie, wenn Sie diesen Gedanken glauben? Was wären Sie ohne diesen Gedanken?), nach denen man dann jedoch blättern muss.

Zudem zeugen einerseits die Ratschläge von Hohensee/Georgy von einer hohen Methodenkompetenz in den Bereichen Coaching und Mediation. Andererseits wird der „State of the Art“ zuweilen auch recht lax gehandhabt, etwa, wenn von „den“ sieben Grundregeln kluger Kommunikation die Rede ist, ohne dass die grundlegenden Erkenntnisse aus den Watzlawick‘schen Axiomen oder dem von Thun‘schen Vier-Ohren-Modell auch nur gestreift werden.

Auch dass ohne Gerechtigkeit der Anwaltsberuf sinnlos ist, ist (sehr zum eigenen Leidwesen der Rezensentin) so nicht richtig. Als Organe der Rechtspflege sind die Kolleg(inn)en schon objektiv mindestens ebenso sehr Diener der Rechtssicherheit – für den Rechtspositivismus haben sie überhaupt nur anderweitig gesetztes Recht durchzusetzen, nicht mehr. Und subjektiv ist ohnehin so manche(r) vor allem Otfried Preußlers Schauermärchen verpflichtet: Nur eine böse Hexe ist eine gute Hexe!

Nicht missen möchte man andererseits Hinweise wie die auf das eingängige „ABC der Gefühle“ nach Albert Ellis, das auf die Freiheit der Reaktion auf unabänderliche Auslöser hinweist. Dass man missliche Ereignisse entsprechend „kognitiv umstrukturieren“ kann, ist für die Gelassenheit im Kopf ein zentrales Hilfsmittel. Wen das näher interessiert, dem sei das Stichwort „Reframing“ empfohlen.

Unbedingt lesenswert ist schließlich der Hinweis der Autoren auf die fünf klassischen Strategien, die Sie nicht weiterbringen. Den Hans Kampf in allen Gassen und Frau Wadawa (für: War da was?) haben sicher auch Sie schon getroffen. „Gleichzeitig sind Juristen dafür bekannt, ziemlich von sich überzeugt zu sein und sich ungern belehren zu lassen, schon gar nicht, wenn es um emotionale Kompetenz geht“, heißt es ziemlich am Anfang des Buches.

Im Falle von Hohensee/Georgy lohnt sich die „Belehrung“ indes umso mehr. Denn, um es mit dem letzten Punkt des abschließenden Merkzettels zu formulieren: „Rechtsanwalt/Rechtsanwältin ist ein freier Beruf – aber nur, wenn man alle äußeren und inneren Zwänge ablegt.“

Rechtsanwältin Dr. Anette Schunder-Hartung, Business Coach (IHK), Frankfurt am Main

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