In mehreren Etappen haben wir uns in diesem Blog über die Frage unterhalten, „wie entwickle ich eine Kanzleistrategie?“. Anlässlich eines Referat des St. Gallener Hochschullehrers Professor Dr. Leo Staub haben wir über Imperative, Strukturen und Prozesse nachgedacht. Nun zählt just dieser Themenbereich auch zu den zentralen Feldern meiner eigenen beruflichen Tätigkeit. Weil ich dort immer wieder ähnliche Erfahrungen mache, möchte ich an dieser Stelle zwei ergänzende Thesen zur Diskussion stellen.
Erstens: Zu den praktisch schwierigsten Aufgaben der strategischen Kanzleientwicklung zählt der Schritt zwischen Erkenntnis und Implementierung. So haben die meisten Sozietäten, mit denen ich arbeite, durchaus eine Vorstellung davon, wer sie sind, wer sie sein könnten und wollten. Zwar besteht im Einzelnen oft noch Entwicklungsbedarf, aber wo ist das nicht der Fall? Dann jedoch kommt ein prekärer Moment der Ent-Scheidung – des Abschneidens, übersetzt gesagt. Denn wer Sie ausweislich der neuen Homepage, in der Pitch-Präsi und laut Zeitschiftenbudget sind, konturiert sich immer nur in der Abgrenzung zu dem, das Sie als Kanzlei nicht oder nicht mehr darstellen. Was aber tun Sie, wenn ausgerechnet für das albanische Speisewagenrecht ein Seniorpartner steht?
Und zweitens: Beim strategischen Controlling – dem systematischen Nachhalten des Erreichten – werden viele Sozietäten zu leichtsinnig. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine allseits tragbare Lösung gefunden. Dass das kein Happy End nach der Abblende bedeutet, wissen Sie eigentlich schon, seit Sie erwachsen sind. Gleichwohl halten erschreckend viele Kanzleien die einmal beschlossene Linie nicht durch. Den Tagesordnungspunkt auf dem Partnermeeting gibt es natürlich weiterhin. Aber wie weit unten steht er? Und wer zeichnet dafür verantwortlich? Ein(e) Partner(in), die mit einem womöglich unwilligen Seniorpartner am nächsten Tag wieder zusammenarbeiten muss? Ein(e) Angestellte(r) der Partnerschaft? Da dauert es im Zweifel nicht lange, bis sich ein unbequemer neuer Weg einfach wieder verschleift.
In dieser Situation fragt nach pfiffigen, innovativen Kanzleistrategien
Ihre
Rechtsanwältin Dr. Anette Hartung